Krebsregisterdaten - ein Gewinn für Epidemiologie und Versorgungsforschung
Die 4. Landequalitätskonferenz fand in dem ehemaligen Priesterseminar, dem jetzigen Hotel Collegium Leoninum, in Bonn statt. Konferenzraum war die „Alte Kirche“. Ein Raum mit besonderer Atmosphäre und perfekt für konzentriertes Arbeiten. Es waren 80 Teilnehmer/innen vor Ort und noch einmal rund 70 Teilnehmer/innen via Zoom online dabei.
Die 4. Landesqualitätskonferenz hatte das Thema „Krebsregisterdaten – ein Gewinn für Epidemiologie und Versorgungsforschung“ auf der Agenda. Dr. Andres Schützendübel erklärte dazu in seiner Begrüßung: „Wir möchten zeigen, wie wichtig vollständige und vollzählige Krebsregisterdaten als Grundlage für Wissenschaft und Forschung sind. Denn nur Studienergebnisse, die auf belastbaren Daten basieren, können bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten angewendet und in die Leitlinien aufgenommen werden. Deshalb freuen wir uns sehr, dass wir Expertinnen und Experten gewinnen konnten, die über ihre onkologischen Forschungsarbeiten berichten. Im Verlauf des weiteren Programms werden wir in der Poster-Session fünf Studien vorstellen, an denen wir zurzeit mit verschiedenen Kooperationspartnern arbeiten – so zusagen als Impuls, was mit Krebsregisterdaten alles möglich ist.“
Detaillierte Infos zur Qualitätskonferenz finden Sie hier:
Lars Ehm, leitender Ministerialrat im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW
In seiner Begrüßung betonte er, dass alle Stakeholder in der Gesundheitswirtschaft, dazu zählen die Kostenträger, die medizinischen Einrichtungen, die Wissenschaft und die Softwarehersteller, gefordert sind, die hoheitliche Aufgabe der Krebsregistrierung zu unterstützen. Denn über allem steht das große gemeinsame Ziel, die bestmögliche Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten zu gewährleisten. Dies kann nur mit dem Erhalt und der Sicherung der notwendigen Rahmenbedingungen im Landeskrebsregister NRW gelingen. An diesem Strang müssten alle gemeinsam ziehen.
Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Stang, MPH
Ärztliche Leitung LKR NRW
Seine Präsentation war ein Parforceritt durch die wissenschaftlichen Studien, an denen das LKR NRW beteiligt ist. Das LKR NRW arbeitet zurzeit an fünf Studien, die mit Drittmitteln gefördert werden. An weiteren dreißig Studienprojekten ist das LKR NRW als Kooperationspartner beteiligt. Denn nach fünf Jahren klinischer Krebsregistrierung liegen 24 Millionen qualitätsgesicherter Meldungen vor, die bereits jetzt schon eine gute Datengrundlage für Wissenschaft und Forschung liefern. Anhand der Studie „Inzidenz und Überleben von Patienten mit malignen neuroendokrinen Neoplasien des Pankreas in Deutschland, 2009–2021“ hat Prof. Stang die Potenziale der Krebsregisterdaten erklärt. Die Studie zeigt, dass die Inzidenz pankreatischer NETs in Deutschland im Zeitraum 2009–2021 deutlich zugenommen hat und dass die Untergruppen von NETs (G1-Gradierung oder lokalisiertes Stadium) eine ausgezeichnete Prognose haben. Hier geht es zur Studie https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39243580/.
Madeleine Karpinski, Dr. Catherine Real, Dr. Johannes Hüsing, Dr. Christine Eisfeld, Florian Oesterling
Hier finden Sie die Poster zu den aktuellen Studienprojekten im Landeskrebsregister NRW, die bei der 4. Landesqualitätskonferenz gezeigt wurden. Fragen zu den Postern schicken Sie bitte an info(at)krebsregister.nrw.de, wir beantworten diese gerne.
- Kombination von PSMA-PET und PROMISE zur Neubestimmung des Krankheitsstadiums und des Risikos bei Patienten mit Prostatakrebs: eine multizentrische retrospektive Studie (Vortrag von Madeleine Karpinski) - hier geht es zum Poster
- Versorgungsqualität von NSCLC in Nordrhein-Westfalen (Vortrag von Dr. Catherine Real / Aleksandra Graw) - hier geht es zum Poster
- Hitzebedingte Übersterblichkeit unter in Nordrhein-Westfalen Krebserkrankten im fortgeschrittenen Stadium (Vortrag von Dr. Johannes Hüsing) - hier geht es zum Poster
- Sind Umweltfaktoren assoziiert mit der Inzidenz des Multiplen Myeloms in NRW? (Vortrag von Dr. Christine Eisfeld) - hier geht es zum Poster
- Plattenepithelkarzinome der Parotis: Primarius oder Metastase? (Vortrag von Florian Oesterling) - hier geht es zum Poster
Die Kollegen/innen auf dem Bild von links nach rechts: Dr. Christine Eisfeld, Florian Oesterling, Dr. Catherine Real, Dr. Johannes Hüsing
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Albers
Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum D`dorf
Abteilungsleiter, für personalisierte Früherkennung von Prostatakrebs im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg
Univ.-Prof. Peter Albers hat in seiner Präsentation „Neue Strategien zur Früherkennung und Therapie des Prostatakarzinoms“ vorgestellt. Auf Grundlage seiner Studien fordert er ein Screening-Programm für Prostatakrebs mit den Qualitätsstandards analog zu denen des Mammographie-Screenings. Seine Studien haben ihn vom Saulus zum Paulus gemacht. Vor seinen Forschungsarbeiten zum Prostatakarzinom hat er die Krebsregistrierung für nicht notwendig gehalten. Jetzt mit den Erfahrungen in der Forschungsarbeit hat er seine Meinung grundlegend geändert. Und er appellierte an seine Berufskolleginnen und -kollegen, Krebsdiagnosen und Krebsbehandlungen unbedingt zu dokumentieren, auch wenn es „lästig“ ist.
Dr. Dominique Werner
Abteilungsleitung Registerstelle LKR NRW
Dr. Dominique Werner hat den Weg der Daten von der Meldung bis zur Verarbeitung zu einem auswertbaren Datensatz im Landeskrebsregister NRW beschrieben. Darüber hinaus hat sie das Leistungsportfolio des Krebsregisters skizziert, das von epidemiologischen Auswertungen zu Krebsinzidenz, Häufigkeit des Auftretens von Krebserkrankungen pro Jahr in einer bestimmten Bevölkerung differenziert nach z. B. Alter, Geschlecht und Krebsart bis zu regelmäßigen Datenlieferungen an nationale und internationale Institute wie dem Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert-Koch-Institut und der International Agency for Research on Cancer reicht.
Darüber hinaus erhält jede Meldestelle einmal im Jahr einen Rückmeldebericht mit aggregierten Daten der eigenen Meldungen. Anhand der Rückmeldeberichte wird deutlich, wie wichtig vollständige und vollzählige Meldungen sind. Das Landeskrebsregister NRW kann auch auf Antrag der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes individuelle Patientendaten bezüglich des Vitalstatus und der Verlaufsdaten rückmelden. Darüber hinaus hat sie auf die regionalen Qualitätskonferenzen hingewiesen, zu denen das Landeskrebsregister NRW regelmäßig einlädt. Hier findet ein fachlicher Austausch über entitätenspezifische Auswertungen, der im Landeskrebsregister NRW vorliegenden Diagnose-, Therapie- und Verlaufsdaten mit Behandlerinnen und Behandlern statt. Ein weiteres Thema waren die Komplexität der Berechnungen von Qualitätsindikatoren, die für die Qualitätssicherungen erhoben werden. „Aber das Leistungsportfolio des Landeskrebsregisters NRW ist noch differenzierter. Deshalb lohnt sich ein Besuch der Website unter www.landeskrebsregister.nrw,“ empfiehlt Dr. Werner am Ende ihrer Präsentation.
Univ.-Prof. Dr. med. Reinhard Büttner
Direktor des Instituts für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie an der Uniklinik Köln
Zu Beginn seiner Präsentation formuliert er das Statement „das Landeskrebsregister NRW ist ein wissenschaftliches Instrument mit dem Wissen zum Wohle der Allgemeinheit“. Dann hat er eindrucksvoll von seiner täglichen Arbeit berichtet. Alleine in seinem Institut werden pro Jahr rund 130.000 Pathologiebefunde untersucht. Pathologiebefunde werden dem Krebsregister gemeldet, die diese meist in einem Fließtext erhalten und diesen sehr aufwendig kodieren müssen.
Deshalb plädiert er für einen strukturierten Pathologiebefund, um so die Dokumentation für die Pathologie, aber auch für die Krebsregister, zu vereinfachen und damit die Befunde vergleichbarer zu machen. Er spricht sich für die Dokumentation von molekularbiologischen Markern aus. Denn sie liefern wichtige Informationen für personalisierte Krebstherapien, die eindeutig zu besseren Überlebenschancen führen. In naher Zukunft sieht er auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), um Pathologieberichte noch gezielter und effizienter zu dokumentieren. Denn Daten bzw. Krebsregisterdaten bilden die Grundlage für die Entscheidung, welche individuelle Therapie für die Betroffenen am besten passt.
Bernd Crusius
Geschäftsführer Haus der Krebsselbsthilfe e.V., Bonn
Der Blick der Betroffenen auf die Krebsregistrierung war eine gute Ergänzung der 4. Landesqualitätskonferenz. „Denn hier geht es um einen Kulturwandel in der Gesundheitswirtschaft“, erklärte Bernd Crusius, Geschäftsführer Haus der Krebsselbsthilfe Bundesverband e.V., Bonn. Der Bundesverband repräsentiert 80 % der an Krebs erkrankten Menschen und gibt ihnen eine Stimme für ihre Belange. In seiner Präsentation hat er das aktuelle Projekt vorgestellt, an dem zurzeit gearbeitet wird.
Der Bundesverband möchte eine flächendeckende und regelmäßige Befragung der Patientinnen und Patienten implementieren, die so genannten PRO´s - Patient Reported Outcome. Das Ziel ist, den von Patienten/innen subjektiv wahrgenommenen Gesundheitszustand im Verlauf oder nach einer Behandlung mess- und vergleichbar zu machen. Damit tragen sie zur Qualitätsverbesserung und mehr Patientenorientierung im Gesundheitswesen bei. Die Landeskrebsregister mit ihren Strukturen und Knowhow wären perfekte Partner für die Registrierung und Auswertung der PRO´s. Für das Vorhaben ist eine nationale Gesamtstrategie notwendig. „Sicherlich müssen noch dicke Bretter gebohrt werden, aber der Nutzen für die Patienten/innen und für die Versorgung ist ungleich größer“, stellt Bernd Crusius fest.
Dr. med. Ursula Marschall, Dipl. oec.
Fachärztin für Anästhesie / Gesundheitsökonomie
Forschungsbereichsleitung Medizin / Versorgungsforschung
bifg Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung
Dr. Ulrike Marschall hat in ihrem Zwischenruf die Datenschätze thematisiert, die bei einzelnen Stakeholdern in der Gesundheitswirtschaft vorliegen und wie zielführend es wäre, wenn diese zu bestimmten Fragestellungen verknüpft werden könnten. Aber hier gibt es auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung gesetzliche Restriktionen, die an geeigneter Stelle zu diskutieren sind. Insbesondere unter der Prämisse des Kostendrucks könnten Erkenntnisse aus optimierten Studiendesigns zu Einspareffekten in der Gesundheitswirtschaft führen, die sie als Gesundheitsökonomin immer im Blick hat.
Dr. Andres Schützendübel
Nach einer lebhaften Podiumsdiskussionsrunde bedankte sich Dr. Schützendübel bei allen Beteiligten. Er fasst den Tag in aller Kürze wie folgt zusammen: „Unser heutiges Ziel haben wir erreicht, es ist uns gelungen, die Potenziale der Krebsregisterdaten und das Leistungsportfolio des Landeskrebsregisters NRW darzustellen. Aber es gibt noch Baustellen, an denen wir arbeiten müssen. Dazu zählen unter anderem, die Melder-Lücken zu schließen, damit wir noch vollständigere Krebsregisterdaten für Wissenschaft und Forschung liefern können. Wir werden weiter mit unserer Expertise und Weitsicht an der Optimierung der Krebsregistrierung arbeiten. Dies ist immer mit dem Ziel der Qualitätssicherung in der Versorgung zum Wohle der Patientinnen und Patienten eng verknüpft.“