Methoden

1. Absolute Fallzahlen

Die absoluten Fallzahlen geben die Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum neu an Krebs erkrankten (bzw. verstorbenen) Patienten wieder. Absolute Fallzahlen stellen für regionale Vergleiche oder zeitliche Entwicklungen nur eine bedingt geeignete Informationsquelle dar. Meist ist es besser, die Fallzahlen in Bezug zur Bevölkerung zu setzen, aus der sie hervorgegangen sind. Man bezeichnet diese Maßzahlen dann als Raten.

2. Inzidenz- und Mortalitätsraten

Rohe Rate

Wenn man die Zahl der Neuerkrankungen/Sterbefälle an Krebs auf die jeweilige Registerbevölkerung in einem bestimmten Jahr bezieht, so erhält man die rohe Rate. Sie gibt die Neuerkrankungen/Sterbefälle an Krebs pro 100.000 Personen der Bezugsbevölkerung je Kalenderjahr an. Rohe Raten hängen stark von der Geschlechts- und Altersstruktur der jeweiligen Registerbevölkerung ab und sind daher für Vergleiche zwischen verschiedenen Regionen oder für die Analyse unterschiedlicher Zeiträume ungeeignet. Dazu nutzt man besser altersspezifische oder altersstandardisierte Raten.

Formel für die rohe Rate

Ej

Rohe Inzidenzrate im Zeitraum j

Nj

Neuerkrankungen im Zeitraum j

Bj

Durchschnittliche Wohnbevölkerung im Zeitraum j

Altersspezifische Raten

Die altersspezifische Rate ist definiert als die Rate der Neuerkrankungen/Sterbefälle in einer bestimmten Altersklasse. Für die Berechnung der altersspezifischen Raten wird die beobachtete absolute Fallzahl dieser bestimmten Altersgruppe zu der durchschnittlichen Bevölkerungsgröße in dieser Altersgruppe in Beziehung gesetzt. Sie wird als Zahl der jährlich neu auftretenden Krebserkrankungen/Sterbefälle pro 100.000 Personen der jeweiligen Altersgruppe ausgedrückt, wobei jede Altersgruppe in der Regel fünf Jahre umfasst.

Formel für die altersspezifische Rate

Aij

Altersspezifische Inzidenzrate der Altersklasse i im Zeitraum j

Nij

Neuerkrankte Personen der Altersklasse i im Zeitraum j

Bij

Durchschnittliche Gesamtbevölkerung der Altersklasse i im Zeitraum j

Die Darstellung altersspezifischer Raten ist die detaillierteste und informativste Art der Datenpräsentation. Allerdings wird ihre Brauchbarkeit sehr dadurch eingeschränkt, dass eine umfassende Analyse aller altersspezifischen Raten sehr aufwändig und für Vergleiche zu unübersichtlich ist. Deshalb wird das Krebsgeschehen meist als altersstandardisierte Rate ausgedrückt.

3. Altersstandardisierte Raten

Bei der Berechnung der altersstandardisierten Raten werden die altersspezifischen Raten entsprechend der Altersverteilung einer ausgewählten Referenz- bzw. Standardbevölkerung gewichtet und aufsummiert. Die sich ergebenden Raten werden ebenfalls als Anzahl der jährlichen Neuerkrankungen bezogen auf 100.000 Personen in der Gesamtbevölkerung angegeben. Altersstandardisierte Raten beschreiben, welche Raten vorliegen würden, wenn die Altersstruktur der beobachteten Bevölkerung der der Referenz- oder Standardbevölkerung entspräche. Altersstandardisierte Raten eigenen sich daher insbesondere zur Darstellung von zeitlichen und regionalen Vergleichen.

Formel für die altersstandardisierte Rate

Dj

Direkt standardisierte Rate im Zeitraum j

Aij

Altersspezifische Inzidenzrate der Altersklasse i im Zeitraum j

Gi

Angehörige der Altersklasse i in der Standardbevölkerung

Für die Standardisierung stehen verschiedene, international gebräuchliche Standardbevölkerungen zur Verfügung. In den Berichten des LKR NRW werden die altersstandardisierten Raten bezogen auf die alte Europastandardbevölkerung dargestellt.

4. Kumulative Rate

Die kumulative Inzidenz- bzw. Mortalitätsrate beschreibt das Risiko, bis zu einem bestimmten Alter an einer bösartigen Neubildung zu erkranken (bzw. zu versterben). Für die Berechnung werden die jeweiligen altersspezifischen Raten mit fünf multipliziert (da die Raten auf 5-Jahres-Altersklassen beruhen), anschließend aufsummiert und durch 1.000 dividiert.

Formel für die kumulative Rate

Aij

Altersspezifische Inzidenzrate der Altersklasse i im Zeitraum j

Ki

Kumulative Inzidenzrate im Zeitraum j

k

Untere Altersklasse, ab der die kumulative Inzidenzrate berechnet werden soll

m

Obere Altersklasse, bis zu der die kumulative Inzidenzrate berechnet werden soll

Damit wird die kumulative Inzidenz (bzw. kumulative Mortalität) prozentual ausgedrückt, d. h. als Anzahl von Neuerkrankungen bei 100 Personen bis zum vorgegebenen Lebensalter. Kumulative Raten sind für ausgewählte Diagnosen für den Altersbereich 0–74 Jahre ausgewiesen.

5. Überlebenszeitanalysen

Bevölkerungsbezogene Überlebensraten sind ein Maß für die Prognose der Erkrankung und geben darüber hinaus Hinweise zur Effektivität der medizinischen Behandlung. Mit dem sogenannten „absoluten“ Überleben wird das tatsächlich beobachtete Überleben der mit Krebs diagnostizierten Patienten erfasst, wobei hier alle, auch die nicht krebsbedingten Todesursachen in die Berechnung eingehen. Um dennoch Aussagen zum krebsspezifischen Überleben treffen zu können, werden auf bevölkerungsbezogener Ebene  „relative“ 5-Jahres-Überlebenraten berechnet. Diese ergeben sich aus dem Anteil der Patienten an allen Erkrankten, die 5 Jahre nach Diagnose der Krebserkrankung noch leben (absolutes Überleben), im Verhältnis zu den aus der Bevölkerungsstatistik ermittelbaren Überlebensraten einer altersentsprechenden Allgemeinbevölkerung (erwartetes Überleben):

Formel für die Überlebensrate

Srj

Relative Überlebensrate für den Zeitraum j

Sbj

Beobachtete/Absolute Überlebensrate für den Zeitraum j

Sej

Erwartete Überlebensrate für den Zeitraum j

Das erwartete Überleben der Allgemeinbevölkerung wird anhand alters- und geschlechtsspezifischer Sterbetafeln mit der Ederer II Methode berechnet. Die Überlebensraten werden mit dem so genannten Periodenansatz ermittelt. Hierbei wird querschnittartig die altersspezifische Sterblichkeit während einer definierten Kalenderperiode genutzt, um die Überlebenswahrscheinlichkeit für die in der entsprechenden Periode diagnostizierten Fälle zu prognostizieren. Eine relative Überlebensrate von 80% deutet auf eine durch die Krebserkrankung verursachte um 20% reduzierte Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber der Allgemeinbevölkerung hin.

6. Prävalenz

Die Prävalenz beschreibt, wie viele Menschen mit einer bestimmten Erkrankung zu einem definierten Zeitpunkt in der Bevölkerung leben und weder verstorben noch geheilt sind. Bei Krebserkrankungen ist, anders als bei vielen Infektionskrankheiten, eine Heilung schwer zu definieren. In der Krebsepidemiologie werden daher Prävalenzen für festgelegte Zeiträume berechnet. Eine 5-Jahres-Prävalenz umfasst beispielsweise alle Personen, die zu einem bestimmten Stichtag leben – in der Regel der 31. Dezember eines Jahres – und in den 5 Jahren vor diesem Stichtag an Krebs erkrankten.

Multiple Primärtumoren sind unabhängig voneinander auftretende bösartige Neubildungen. Wenn es im Datenbestand des LKR NRW zu einer Person mehrere Meldungen gibt, muss zunächst überprüft werden, ob sich die vorliegenden Meldungen auf einen oder mehrere Primärtumoren beziehen. Hierbei sind die ‚International Rules for Multiple Primary Cancers‘ der International Agency for Research on Cancer (IARC) anzuwenden. Diese einheitliche Zählweise von Primärtumoren bildet die Grundlage für international vergleichbare Inzidenzberechnungen und bevölkerungsbezogene Gesundheitsberichte. Rezidive und Metastasen gelten dieser Zählweise zufolge nicht als Primärtumoren. Weiterhin soll nur ein einziger Tumor in einem Organ bzw. einem paarigen Organ oder Gewebe gezählt werden. Maßgeblich für die Entscheidung, ob es sich um die Manifestation eines einzigen Primärtumors handelt, sind Angaben zur Topographie (anatomische Lage) und Morphologie (Gewebetyp).

Im Anschluss an die Bestimmung der Primärtumoren folgt die „Best-Of“-Generierung. Dabei wird zu jedem Merkmal, das einen Primärtumor zum Diagnosezeitpunkt beschreibt, die „beste“ Merkmalsausprägung aus allen vorliegenden Meldungen extrahiert.

Das LKR NRW führt auf gesetzlicher Grundlage regelmäßig ein passives Mortalitäts-Follow-up durch. Hierzu übermitteln die Meldebehörden und der Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) mindestens einmal jährlich Mortalitätsdaten an das Landeskrebsregister NRW. Die Meldebehörden in NRW schicken die Angaben zum Sterbedatum in der Regel monatlich an das Landeskrebsregister. Die Information zur Todesursache wird von IT.NRW etwa 12 Monate nach Abschluss eines Jahres für alle im entsprechenden Jahr Verstorbenen an das Krebsregister übermittelt. Die Todesursache umfasst hierbei das auf dem Totenschein anhand der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) dokumentierte Grundleiden.

Das LKR NRW erhält jährlich die Bevölkerungsdaten des Landes Nordrhein-Westfalen vom Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW). Die Daten werden bis auf die Ebene des amtlichen Gemeindeschlüssels übermittelt. Somit sind neben Auswertungen für das Land NRW gesamt auch regionalisierte Auswertungen auf Landkreis- und Gemeindeebene möglich.

Nach abgeschlossenem Mortalitäts-Follow-up und Prüfung der Vollzähligkeit für das aktuell auszuwertende Diagnosejahr wird die Datenbank, die dem interaktiven Jahresbericht  und der interaktiven Datenbankabfrage  zugrunde liegt, aktualisiert. Dies geschieht in der Regel zweimal jährlich zum 30.6. und 31.12. eines Kalenderjahres. Bei einer Nutzung der Daten des LKR NRW sollte stets das Datum des Datenbankstandes angegeben werden.

Indikatoren für die Qualität der Krebsregistrierung

1. Vollzähligkeit

Nach internationaler Übereinkunft wird für bevölkerungsbezogene Krebsregister ein Vollzähligkeitsgrad von mindestens 90% angestrebt. Die Vollzähligkeit der Krebsregistrierung in den Landeskrebsregistern in Deutschland wird jährlich durch das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut (RKI) anhand spezieller statistischer Methoden geschätzt. Der Erfassungsgrad ergibt sich aus dem Quotient der im LKR NRW im entsprechenden Diagnosejahr beobachteten Fallzahlen und der vom ZfKD berechneten erwarteten Fallzahl für das Diagnosejahr. Der Erfassungsgrad über alle Krebserkrankungen in NRW liegt seit Jahren bei über 95%.

2. Death-Certificate-Only

Zu den international üblichen Qualitätsindikatoren eines Krebsregisters gehört die Bestimmung des Anteils der sogenannten DCO-Fälle. Dabei handelt es sich um Fälle, die dem Krebsregister allein auf Grund der Übermittlung der Todesursachen (Todesbescheinigungen) bekannt werden (death certificate only). DCO-Fälle müssen aufgrund mangelhafter medizinischer Informationen zur Krebserkrankung und zum Diagnosedatum von vielen epidemiologischen Analysen ausgeschlossen werden. Um eine gute Datenqualität zu gewährleisten, sollte daher der Anteil der DCO-Fälle 10% nicht überschreiten.

3. Anteil histologisch verifizierter Diagnosen (HV-Anteil)

Der HV-Anteil (Histological Verification) beschreibt den prozentualen Anteil aller Erkrankungsfälle mit einer histologischen Sicherung der Diagnose und gibt Hinweise darauf, wie valide die dokumentierten Diagnosen sind. Der HV-Anteil sollte über 90% liegen.

4. Anteil unbekannter Primärtumoren (PSU-Anteil)

Der PSU-Anteil beschreibt den Anteil von Erkrankungsfällen mit unbekannter bzw. unspezifischer Primärlokalisation (Primary Site Unknown) an allen bösartigen Neubildungen. Gemäß ICD-10 Klassifikation bilden bösartige Neubildungen, die als C26.0, C26.9, C39.0, C39.9, C76 und C80.9 verschlüsselt wurden, die Gruppe der PSU-Tumoren. Der PSU-Anteil sollte 5% nicht überschreiten.